Kreis Paderborn (krpb). Die Afrikanische Schweinepest droht: Deswegen ist die konsequente Aufklärung von Bürgern, Landwirten und Jägern vor deren Gefahren, die Vermeidung der Ausbreitung im grenzüberschreitenden Transitverkehr sowie eine weitere Reduzierung der Wildschweinbestände dringend geboten. Der Kreis Paderborn will dabei auf Anraten von Experten neue Wege gehen: Jagdausübungsberechtigte sollen eine Abschussprämie für Wildschwein-Frischlinge mit einem Gewicht von bis zu 25 kg erhalten. Ein solches Maßnahmenbündel kann nach Ansicht des beim Kreis Paderborn seit 2013 bestehenden Experten-Arbeitskreises „Wild-Lebensraum-Gesellschaft“ gegen den Ausbruch der Seuche helfen. Der Arbeitskreis hatte sich mit Landrat Manfred Müller zu einer Sondersitzung getroffen, um mögliche Abwehrstrategien, aber auch Folgen der für den Menschen völlig ungefährlichen Afrikanischen Schweinepest ( ASP ) zu erörtern. Es besteht die große Gefahr, dass die ASP aus den Baltischen Staaten, Rußland, Tschechien oder Polen nach Deutschland eingeschleppt wird. Ein Ausbruch hätte katastrophale Folgen für die heimischen Hausschweinebestände und den Handel. Drittländer außerhalb der EU würden aus Deutschland vermutlich kein Schweinefleisch mehr importieren. Viele Schweinehalter würden in Ihrer Existenz bedroht, einige von ihnen wohlmöglich ihren Betrieb aufgeben.
Landrat Manfred Müller unterstrich, dass er die Sorge um eine Einschleppung der ASP in den Wildschweinbestand teile. Beim Ausbruch der Seuche seien immense Schäden für die Landwirtschaft, den Fleischmarkt aber auch erhebliche Kosten für den Steuerzahler und Versicherungen zu befürchten. Deswegen sei die Abschussprämie, die Jagdausübungsberechtigten gezahlt werde, ein neuer, aber richtiger Weg.
Das Paradoxon, dass heimisches Wildbret kaum noch vermarktet werden kann und gleichzeitig Großhändler und Discounter Wildfleisch importieren, müsse aufgelöst werden. Ein guter Absatz des schmackhaften Wildschweinfleisches fördert die geforderte intensive Bejagung. Der Kreis Paderborn hat auf Anregung des Arbeitskreises bereits seit Jahren die Schonzeit für sog. Überläufer ( einjährige Wildschweine, die selbst noch keine Jungen haben) ganzjährig aufgehoben, um die Wildschweinbestände nachhaltig zu senken. Als Allesfresser müssen Schweine laut Gesetz auf Trichinen untersucht werden. Bei kleinen Tieren sind die Gebühren hierfür unverhältnismäßig hoch. Um einen Anreiz für die Jäger zu schaffen, auch die jungen Tiere zu erlegen, wurde im vergangenen Jahr die notwendige Trichinenschaugebühr für Wildschweine durch Zuschüsse vom Landwirtschaftsverband und vom Kreis Paderborn ausgesetzt. Diese im Kreis Paderborn bereits frühzeitig ergriffenen Maßnahmen sind zwischenzeitlich vom Land NRW übernommen worden und allgemeinverbindlich in ganz NRW. Das Land NRW hat mittlerweile die Schonfrist mit Ausnahme führender Bachen (führender Muttertiere) mit gestreiften Frischlingen unter ca. 25 kg aufgehoben.
Kreisjagdberater Franz Lödige unterstrich, dass vor 10 Jahren rund 700 Stück Schwarzwild im Kreis Paderborn erlegt worden seien. Diese Anzahl habe sich auf 2000 Stück im letzten Jahr erhöht, was die Dimension des Anstiegs der Wildschweinpopulation zeige. Einerseits verdeutlicht dies auch die erfolgreiche Arbeit der Jägerschaft, andererseits gibt diese Entwicklung einen deutlichen Hinweis auf weiter steigende Bestände. Das habe letztlich das Risiko einer Seuchenübertragung im Falle einer Einschleppung deutlich erhöht. Der Mensch ist der Hauptüberträger der ASP z.B. durch achtlos weggeworfene Lebensmittel oder illegale Entsorgung von Fleischabfällen. Wildschweine können sich hier leicht anstecken. Eine eingeschleppte Infektion kann dann auch durch andere Wildtiere wie Fuchs/Waschbär und Krähen aber auch Haustiere wie Hund und Katze weiter verbreitet werden. Durch einfache Hygiene, d.h. korrekte Abfallentsorgung und den Verzicht auf das Wegwerfen von Lebensmitteln kann jeder dazu beitragen, das Risiko der Infektionseinschleppung zu senken. Für erkrankte Wild- und Hausschweine verläuft die Erkrankung so gut wie immer tödlich. Jäger und Landwirte müssten zusammenarbeiten, um einem Ausbruch vorzubeugen. Dazu zählten insbesondere auch gemeinsame Lösungen für eine verbesserte Bejagung (z.B. Schneisen in den Ackerbauflächen, Grünstreifen an Wald/Feldkanten, um das Wild sichten und bejagen zu können und revierübergreifende Jagden). Eine stärkere Bejagung würde auch die Wildschäden an Feldfrüchten deutlich verringern. Franz Josef Freiherr von und zu Brenken, als Vertreter der privaten Forsten bekräftigte, dass mit dem zunehmen Anbau von Mais neue Nahrungsquellen für Wildschweine entstanden seien, die u.a. den starken Bestandszuwachs beim Schwarzwild begründen. Dr. Gerhard Lakmann von der biologischen Station Senne betonte, dass die Schwarzwildbestände auch aus Gründen des Natur- und Artenschutzes deutlich reduziert werden müssten. Denn ihre übermäßige Vermehrung bedrohten am Boden brütende Vögel und so genanntes Niederwild wie z.B. Rebhuhn, Fasan oder auch Wildgänse und -enten.
Mehr Wildschweine zu erlegen bedeutet auch, dass auf dem Markt mehr Fleisch angeboten wird. Und der reagiert mit sinkenden Preisen, zumal die Verbraucher Wildbret immer noch saisonabhängig, also im Winter und zur Weihnachtszeit konsumieren. „Kein Jäger produziert für die Tonne“, unterstrich Hubertus Beringmeier, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Paderborn. Eine Maßnahme könnte deshalb sein, größere Mengen Wildschweinfleisch vorübergehend vom Markt zu nehmen, um die Preise stabil zu halten. Berthold Antpöhler, Vorsitzender der Kreisjägerschaft, betonte die Notwendigkeit, den Verbraucher auch aufzuklären, was eigentlich nach dem allgemeinen Verständnis als Wildfleisch anzusehen sei, und was eben nicht. Unter diesem Begriff werde leider auch Gatterwild aus Neuseeland oder verwilderte Hausschweine aus dem Ausland bei Discounter und Großmärkten zu Billigpreisen vermarket. Dieses angebliche Wildbret aus Übersee entspreche nicht heimischen Ansprüchen und habe mit Wildfleisch vom heimischen Jäger nichts zu tun, vergleiche man Ursprung, Qualität, Frische und Geschmack. Mehr „ Bio „ als Wildfleisch aus heimischen Revieren gebe es einfach nicht, und das zu jeder Jahreszeit, sei es vom Grill, aus dem Ofen oder als Wurst oder Schinken.
Doch fest steht natürlich auch, dass kein Wildschein aus Polen oder Tschechien bis zur Grenze oder nach Deutschland läuft und das Virus in heimische Bestände einträgt. Dr. Michael Petrak, Leiter der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadensverhütung in Bonn unterstrich, dass vor allem der Mensch die größte Gefahrenquelle einer Seuchenverbreitung sei. Das Virus wird auch über kontaminierte Fahrzeuge oder Kleidung und Schuhwerk sowie über Speiseabfälle mit kontaminiertem Schweinefleisch übertragen. Ein einziges weggeworfenes oder mitgebrachtes Wurstbrot aus den betroffenen Seuchengebieten des Baltikums, Polens oder Tschechien reiche. Deshalb müssten an Raststätten die Informationen für LKW-Fahrer, die ihr Essen aus nicht kontrollierten Hausschlachtungen in der Regel mitbringen würden, deutlich verbessert werden. Auch in den Fernbussen müsse informiert werden, keine mitgebrachten Wurstwaren in der freien Landschaft oder in überquellenden Abfallbehältern zu entsorgen.
Tote Wildscheine, die ( erkennbar ohne Unfall- oder Schusseinwirkungen ) im Wald oder Feld gefunden werden, sollten unbedingt der Kreisleitstelle (112) oder der Polizei (110) gemeldet werden. Dann können Probenahmen veranlasst werden, die eine mögliche Infektion nachweisen. Je früher die Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest erkannt wird, desto schneller und konsequenter kann gehandelt werden.
Der Arbeitskreis „Wild-Lebensraum-Gesellschaft“ ist ein Gremium, das 2013 zunächst als „Arbeitskreis Schwarzwild“ ins Leben gerufen wurde, um Fachleute aus Forst-, Jagd- und Landwirtschaft an einen Tisch zu holen und den Landrat zu beraten. 2016 kamen auch Vertreter des privaten und amtlichen Naturschutzes dazu, um die Biodiversität in Agrarlandschaften zu fördern. Die Umbenennung in „Wild-Lebensraum-Gesellschaft“ steht dafür, dass in der Natur alles mit allem zusammenhängt und Handlungsweisen niemals isoliert betrachtet werden dürfen. Vorsitzender des Arbeitskreises ist der Paderborner Ordnungsamtsleiter Herbert Temborius, der auch zu dieser Sondersitzung eingeladen hatte.