Eine Tragödie (1849-50) von Friedrich Hebbel.
Personen
Hieram, ein uralter Greis
Rhamnit, Oberpriester des Moloch, gleichfalls ein Greis beide aus Karthago
Teut, der alte, König von Thule
Teut, der junge, sein Sohn
Velleda, die Königin
Theoda, ein junges Mädchen
Bär. Wolf. Hund. Hase. Adler
Erster Akt
Wald und Meer. Im Walde der Moloch.
Hieram (vom Meere kommend).
Ich hab’ das Schiff, das uns durchs Weltmeer trug, In Brand gesteckt. Tatst du, was ich gebot?
Rhamnit (ihm aus dem Walde entgegentretend).
Sieh hin!
Hieram. Durch wilder Eichen krauses Laub
Blickt starr und ehern mich der Moloch an.
Mir deucht, hier steht er besser, als er je
Noch in Karthagos goldnen Mauern stand!
Rhamnit. Karthago!
Hieram. Willst du weinen? Weine nicht!
Das tat der Römer Scipio für dich!
Das Feuer hatte seinen Dienst getan,
Nun hätt’ er’s gerne ausgeweint, damit
Kein Feuer übrigbleibe für sein Rom! —
Der Moloch glüht noch nicht!
Rhamnit. Er tut es bald.
Wo aber ist das Opfer?
Hieram. Schon bereit!
Rhamnit. Du Sprichst in Rätseln!
Hieram. Ist’s zum erstenmal?
Rhamnit. Nein! Doch man wird es müde mit der Zeit.
Hieram. Du hast mich nie befragt.
Rhamnit. So frag mich jetzt.
Hieram. Dir wird die Antwort werden, die du willst!
Rhamnit. So sprich, was sinnst du?
Hieram. Wer ich bin, nicht erst?
Rhamnit. Das weiß ich!
Hieram. Weißt du?
Rhamnit. Ja, du bist der Greis,
Von dem es heißt, daß er nicht sterben kann.
Hieram. Daß er nicht sterben kann, bevor er Rom
In Flammen stehen, wie Karthago, sah!
Das glaub’ ich selbst! Die Rache lebt in mir,
Wie sollt’ ich sterben, eh die Rache stirbt,
Und eh sie satt ist, stirbt die Rache nicht.
Rhamnit. Mit Haaren, silberweiß, doch lang und voll,
Mit Zügen, die der Grimm versteinert hat,
So sah ich schon, da ich noch Knabe war,
Dich auf dem Markt, so seh’ ich dich noch heut.
Wir Kinder starrten dich mit Schaudern an,
Die ältern flüsterten den jüngern zu:
Der hat an Romas Pforten mitgeklopft!
Und wenn der Wind in deinen Locken sich
Verfing und sie bewegte, war es uns,
Als ob wir etwas wunderbares sähn.
Doch als ich hörte, daß dich einst ein Wurm
Gestochen, ohne daß du es bemerkt,
Da kam’s mir vor, als müßte es so sein.
Hieram. Du weißt mit alledem nicht, wer ich bin!
Rhamnit. Du bist ein Unterfeldherr Hannibals!
Hieram. Ich bin sein Bruder, bin Hamilkars Sohn!
Rhamnit. Der bist du nicht! Denn Hamilkars Geschlecht,
Das kenn’ ich, wie die Finger meiner Hand.
Hieram. Vernimm! er hat im fernen Spanien
Mit einer Königstochter mich gezeugt,
Die er gewaltsam für sein Lager warb;
Sie aber, eh sie meiner noch genas,
Ist wieder zu den Ihrigen entflohn,
Und erst, als sie im Sterben lag und viel
Vom Hamilkar im Traum des Fiebers sprach,
Hat ihre Dienerin es mir entdeckt.
Da eilt’ ich nach Karthago, trat ins Heer
Des Hannibal —
Rhamnit, Und wie empfing er dich?
Hieram. Wie jeden, welcher kam mit einem Schwert
Und fragte, gegen wen zu kämpfen sei!
Rhamnit. So sagtest du ihm nicht —
Hieram. Ich sagt’ ihm nichts!
Die Arme über seine Brust gekreuzt,
Mich überfliegend mit dem flücht’gen Blick,
Den keine Narbe noch zum Weilen zwang,
Stand er vor mir und sprach: Es geht nach Rom,
Und wenn du etwas dort zu suchen hast,
Ein Weib, ein Haus, ein Königreich vielleicht,
So folge mir, ich geh’ den nächsten Weg!
Ich aber schwur mir zu: Ich sag’s erst dann,
Daß ich der Sohn von seinem Vater bin,
Wenn er zu wünschen anfängt, daß ich’s Sei,
Und Sollte er mir seine Arme auch
Erst öffnen, wenn ich Romas Tor gesprengt
Und in den Brand das Kapitol gesteckt!
Wir kamen nicht nach Rom, und keine Tat,
Die ich vollbrachte, zwang den hohen Neid
Ihm ab, durch den ein Halbgott anerkennt.
Drum hat er nie erfahren, wer ich bin;
Nicht einmal, als er seines Bruders Kopf,
Den ihm der Römer Hohn, wie einen Ball
Ins Lager warf, begraben ließ, und ich
Dem Sklaven, der ihn forttrug, ihn entriß.
Ich küßte ihn, er sah mich an und schwieg.
Rhamnit. Er war –
Hieram. Nichts mehr von ihm! Gedenk’ ich sein,
So hass’ ich dieses Rom nicht mehr wie sonst!
Ich dank’ ihm auch, daß er in Sturm und Flut,
So wenig wir’s verdienten, uns beschirmt,
Denn ohne ihn wär’ unsre Nuß von Holz
In jener bösen Nacht – du wirst, wie ich,
Sie nie vergessen! — doch gewiß zerschellt!
Hieram. Das glaub’ ich selbst. Er wiegt an tausend Pfund,
Und die sind viel auf meinem kleinen Schiff,
Das zwischen Felsen hin und wieder treibt
Und scheitern muß, wenn ihm der Ballast fehlt.
Rhamnit. Ist dies das Opfer, das du bringen willst?
Hieram. Sei sicher, Freund, du schmähst mein Opfer nicht,
Dein Gott will Menschenblut, und sei gewiß,
Er dürstet nicht umsonst, ich geb’ es ihm.
Rhamnit. Dein eignes?
Hieram. Nein!
Rhamnit. Woher denn nimmst du Blut?
Hieram. Ich bin in diesem Walde nicht allein!
Rhamnit. Auch ich bin da!
Hieram. Ja!
Rhamnit. Ja?
Hieram. Und andre mehr.
Du sahst sie.
Rhamnit. Von der Höhle aus, die uns
Verbarg. Doch Riesen sind es. Hoch und lang,
Wie um die Abendzeit mein Schatten ist.
Sie reißen Bäume aus der Erde aus,
Wie Knaben Kräuter, und wie sonst der Mensch
Im Wald am Löwen hinschleicht, schleichen hier
Die zott’gen Löwen, die du Bären nennst,
Am Menschen sich vorbei, am schlafenden
Sogar, und blicken froh, wenn’s ihnen glückt.
Hieram. Nicht wahr, es wird dem Römer schlecht ergehn,
Wenn ihn der Deutsche heimsucht?
Rhamnit. Schlechter nicht,
Wie dir auf deiner Opferjagd, wenn du
Die bei dem Deutschen anzustellen denkst.
Hieram. Der Moloch will nicht glühn!
Rhamnit. So schilt nicht mich,
Denn treu, wie stets, hab’ ich den Dienst versehn.
Schilt nur das Holz, es wird hier in der Luft
So naß, wie anderwärts im Wasser kaum.
Oh, welch ein Land! Aus ew’gem Nebel quält
Die matte Sonne mühsam Sich hervor
Und sieht so Schreckliches, daß sie’s verdrießt,
Die Nacht verscheucht zu haben, die es barg.
Und wenn sie auch, aus Mitleid ober Stolz,
Der, was er einmal anfing, enden will,
Am Himmel dann verweilt, so ist’s umsonst,
Die Erde dankt ihr keinen Liebesblick.
Da tut sich keine Blume auf und trinkt
Ihr Licht und kocht es still zur Farbe aus,
Da quillt aus keinem Baum ein Blütenknopf,
Dem ihre Glut die Frucht entlocken kann;
Nur ernstes, dunkles Grün, das kaum vom Grau
Des Stamms sich unterscheidet, den es kränzt,
Ein Vogel, dumm und häßlich, der’s besingt,
Und rauhe Winde, die ich loben muß,
Weil sie’s so lange schüttelt, bis es fällt!
Hieram. Ich seh’, das Land, wo deine Väter sich
Den edlen Bernstein holten, reizt dich nicht,
Und dennoch siehst du es zur Sommerzeit,
Was sagtest du, wenn du’s im Winter sähst!
Da wird das Wasser fest wie Stein, du kannst
Dein Haus darauf erbauen, ja, daraus;
Da wird der Nebeldunst des Meers zu Schnee,
Zu weißem Staub, der in der Luft sich ballt,
Und, endlos fallend, Wald und Tal bedeckt,
Und Stürme, stark genug, die Erde selbst
Aus ihrer Bahn zu schleudern, blasen drein
Und türmen heulend ihn zu Bergen auf!
Rhamnit. Und dies ist unser Ziel?
Zweiter Akt
Vor dem Molochhain, der von Kriegern mit Streitäxten umstellt ist.
König Teut. Habt ihr den Ring geschlossen?
Adler. Rund herum!
Vom Meere an bis zu der Felsenwand!
König Teut. So kann kein Mensch heraus?
Adler. Nein! Dicht, wie hier,
Sind überall die Recken aufgestellt.
König Teut. Vernehmt denn mein Gebot! (Er erhebt sein Schwert.)
Wer diesen Hain
Betritt, der ist des Todes! Wer ihn schon
Betreten hat und ihn verlassen will,
Der ist es auch!
(Er geht zu den Kriegern und richtet das Folgende an den
ersten, zweiten, dritten usw.)
Und wär’s dein eignes Weib,
Wär’ es dein Bruder, war’s dein Sohn sogar,
Du streckst sie nieder mit der Axt, wenn ich
Dich nicht mit meinem Schwert durchstoßen soll!
Adler. Herr!
König Teut. Wollt ihr’s besser haben als ich selbst?
Mein Weib ist auch im Hain, dazu mein Sohn!
Und ich verlange nichts von euch, als was
Ich selbst vollbringen werde, wenn an mich
Die Reihe kommt!
Adler. Wir haben dich erwählt
Und müssen dir gehorchen! Aber sprich:
Was ist es denn auf einmal mit dem Hain?
Du weißt, der einz’ge Salzquell sprudelt drin,
Warum soll niemand länger schöpfen gehn?
König Teut. Ich will dir Antwort geben, wenn das Werk
Getan ist! (Für sich.) Nun erdrück’ ich sie. Denn klein
Ist ihre Zahl, und unsre Zahl ist groß!
Teut, der junge, erscheint mit seiner Schar und will aus dem
Hain hervorbrechen.
Adler (tritt ihm entgegen).
Zurück!
Teut, der junge. Zurück! Jawohl! zurück mit dir!
(Er gebraucht sein Schwert und bricht (sich Bahn.)
Ihm folgen Velleda und Theoda; die übrigen werben zurückgedrängt.
König Teut. Ganz recht! Dies Werk ist mein! Ich bin bereit!
Merkt auf und macht’s wie ich!
(Er tritt seinem Sohn mit gezogenem Schwert gegenüber.)
Velleda (stürzt sich zwischen beide). Erst mich! Ich will
Das Ende nimmer sehn!
König Teut (zu Teut, dem jungen). Nun? Bittet sie
Umsonst? (Zu Adler.) Was sagst du? Siehst du diesen Sohn?
Er will den Vater töten, und er wird
Beginnen mit der Mutter, wenn Sie ihm
Den Weg vertritt! So kommt er aus dem Hain!
Nun weißt du, was du fragtest!
Teut, der junge. Nein doch, nein!
So kommt er nicht! Ich komme —
Seht nur selbst! (Er kniet nieder)
Ich küsse dir die Füße!
König Teut. Niemals tat
Das noch ein Sohn! Unwürdig scheint es mir!
Es ziemt dem Knecht nur, der den Leib verspielt,
Wie’s denn der erste auch gewiß erfand.
Doch, wie der Frevel, muß die Buße sein,
Drum mag es sich gebühren, daß du’s tust.
Nun, da du schnell bereust, so darf ich dir
Auch halb verzeihn! Erbeb dich denn und zieh
Das Schwert, das dir der arge Fremdling gab,
Durchbobre ihn damit und wirf’s ins Meer —
Teut, der junge (steht auf).
König Teut. Dann gehe, ohne dich nur umzusehn,
Ja, ohne eine Beere unterwegs
Zu pflücken oder auch aus einem Quell
Zu trinken, vorwärts bis zum Totental,
Wo man begräbt, was ausgeatmet hat.
Dort, unterm Felsenabhang, den du kennst,
Ist eine Höhle, unterirdisch-dumpf
Und nächtlich finster, von Gebüsch versteckt,
Die außer mir noch nie ein Mensch betrat.
In diese Höhle schließe schweigend dich
Mit deinem Hunger ein und harre dort,
Ob Sich ein Tier zu dir verirrt, dem du
Das Fleisch vom Leibe reißen kannst, ob sich
Von den Gefährten einer dein erbarmt.
Dem will ich’s nicht verbieten! (Zu Velleda.) Dir allein
Ist’s untersagt!
Teut, der junge. Ha!
König Teut. Was bedeutet das? (Mit Gebärden.)
Erst So? Dann So?
Teut, der junge. Wohl kniete ich vor dir,
Wohl küßt’ ich dir die Füße, aber nicht
Aus Reue, wie du meinst, aus Angst allein,
Aus Angst um dich und auch um mich! Wenn du
Mich tötest, sprich, was sagst du wohl zu der? (Er deutet auf Velleda.)
Und wenn ich dich: wie sollt’ ich mit der Hand
Je wieder essen, die dein Blut vergoß?
Drum flehe ich noch einmal: beuge dich,
Beharre nicht im Trotze, gib dein Schwert!
König Teut. Wann Sagt’ ich nein! und nahm das Wort zurück?
Teut, der junge. Noch nie, noch nie! Du kannst es ruhig tun,
Des Wankelmutes wird dich keiner zeihn! (Zu Velleda.)
O Mutter, flehe du mit mir, du weißt
Ja, was ihn rühren kann, beschwöre ihn
Und schütze mich vor einer grausen Tat!
König Teut. Er spricht, als läg’ ich schon! (Zu Adler.)
Du, sieh mich an!
Hat dieser Arm noch Mark? Wie lange ist’s,
Daß vor dem Faustschlag mir der Mann nicht mehr
Zum Nimmer-Wiederauferstehen sinkt?
Adler. Die Zeit kommt nie!
König Teut (zu Teut, dem jungen, drohend). Dann, Knabe, wehe dir!
Velleda, Stand eine Mutter jemals da wie ich!
König Teut. Der Gott erschien! Das ist die neue Welt!
Velleda. Sie wäre anders, wenn du selbst es wärst!
König Teut. Ich bin derselbe, der ich immer war!
Velleda. Das bist du nicht! Hat’s dich nicht auch durchzuckt,
Wenn alle Wolken Feuerschlangen spien?
König Teut. Wie sollt’ es nicht!
Velleda. Hast du nicht auch gebebt,
Wenn’s krachte, wie hier unten nichts mehr kracht?
König Teut. Wer leugnet das?
Velleda. Und war nun alles aus:
Gingst du nicht auch und sahst dich zitternd um
Und fragtest dich: Sind wir auch noch allein?
König Teut. Gewiß! Ich aber seufzte nicht wie der,
Wenn ich den Gast aus Himmelshöh’n nicht fand,
Ich starrte niemals stundenlang hinauf
Und harrte sein. Ich freute mich und hieb
Den ersten Bären nieder, den ich traf,
Denn ich war gern allein!
Velleda. Nun ist er da!
König Teut. Und eher, als ihn selbst noch, habe ich
Gesehn, was er uns bringt. Ein Weib, das sich
Ins Meer hinunterstürzt! Ein Klippenfisch,
Der sie zerfleischt, und eine Schwester, die
Ihr nachgesprungen wär’, hätt’ ich sie nicht
Zurückgehalten! Hei! Man ißt und trinkt,
Man wehrt sich, wenn man angegriffen wird,
Wer gibt (ich selbst den Tod?
Teut, der junge. Ich, wenn der Gott
Mich, wie das Kind, verlangt!
König Teut. Du! Ja, du tust,
Was keiner tut, und kannst, was keiner kann!
Du führst mit Wind und Wellen ein Gespräch;
Du glaubst, es seien Worte, die das Meer
Hervorstößt, wenn es seine Wogen rollt;
Du sagst, die Eiche schreie, wenn der Sturm
Sie schüttelt, bis sie knackt; du hättst den Stein
Gern auf den Knien verehrt, dem meine Hand
Den Funken einst entlockte; du, ja du,
Ich glaub’s dir, tust auch das! Ich aber, ich,
Ist Sag’ dir, dieser Gott –
Velleda. Teut, halte ein,
Ich zittre!
König Teut. Und wovor? Was wäre noch
Zu fürchten? Ist nicht schon das Ärgste da?
Gibt’s etwas Ärgeres als diesen Sohn?
Teut, der junge. Ja, diesen Vater!
Velleda. Schweig doch!
Teut, der junge. Ist’s nicht So?
Bin ich’s, der sich empört?
König Teut (erhebt sein Schwert, senkt es aber wieder).
Noch nicht! Nur zu!
Ich säh’ dich gern erst ganz!
Teute, der junge (tritt dem König näher).
Theoda (stürzt zwischen beide). Teut!
Teut, der junge. Hab’ ich was
Mit dir zu Schaffen?
Theoda. Nein? So hab’ ich auch
Nichts mehr mit dir zu Schaffen!
Teut, der junge, Junge Maid,
Was redest du? Ich kenne dich ja kaum
Und sprach noch nie mit dir!
Theoda (gegen Velleda). Noch nie!
Teut, der junge (gegen Velleda). Ei nun,
Sie sprach einmal mit mir! Und das geschah,
Als ich im Walde, ohne sie zu sehn,
An ihr vorbeigegangen war. Da warf
Sie mich mit einem frischen Blütenzweig!
Theoda. Dich?
Teut, der junge. Nun, wenn dich’s verdrießt: du warfst den Zweig
Nach einem Eichhorn, und du trafest mich!
Theoda. So war’s.
Teut, der junge. So sagtest du zu mir, als ich
Mich nach dir umsah. Dann —
Theoda. Nichts mehr!
Teut, der junge. Doch! Doch!
Dann botest du mit glühendem Gesicht —
Theoda (ihn unterbrechend).
Ich war vom Bücken heiß!
Teut, der junge. Mir eine Hand
Voll roter Beeren!
Theoda. Weil ich selber sie
Wohl pflücken, doch nicht essen mag!
Teut, der junge. Ich griff
Danach, weil ich gerade durstig war,
Doch ich vergaß es gleich Den nächsten Tag!
Theoda. Ich noch denselben!
Teut, der junge. Nun denn!
Theoda. Daß ich einst,
Als deine Mutter unterm Busche schlief,
Die Schlange, die schon nach ihr züngelte,
Zertrat, das weißt du nicht, nicht wahr?
Teut, der junge. Ich hör’s
Erst jetzt, Sonst hätte ich’s dir längst gedankt!
Theoda. Wärst du’s gewesen, hätt’ ich’s nicht getan!
Teut, der junge. Hab’ ich denn je ein Leid dir zugefügt?
Theoda. Du? Oh! (Sie ballt krampfhaft die Hand.)
Ja, ja! Du hast einmal so viel
Nach mir gesehn!
Teut, der junge. Nach dir? Du irrst! Doch nein!
Ich sah einst wirklich mehr nach dir als sonst.
Da hattst du eine Wunde an der Stirn.
Theoda. Von einem Sturz!
Teut, der junge. Das wußt’ ich nicht! Mir schien
Es seltsam, daß ein Mädchen Wunden trug,
Und nach der Wunde sah ich, wenn ich dir
Begegnete!
Theoda. Verfluchter!
Teut, der junge. Aßest du
Die schwarzen Beeren, die der grüne Sumpf
Erzeugt, daß du so sprichst? Du kennst sie doch,
Dein Vater starb ja dran, und seit der Zeit
Flieht jedes Kind Sie!
Theoda. Hätte ich sie dir
Doch statt der andern dargereicht!
Velleda. Mein Kind,
Sei still!
König Teut. Lächle den Bären lieber an
Und streichle ihn, als den! Nimmt der ein Weib,
So tut er’s nur, weil er den Tag ersehnt,
Wo er ihr Kind ins Feuer werfen kann!
Teut, der junge. Du irrst dich! Aber hätte ich ein Kind,
So gäb’ ich’s ohne Widerstreben hin
Und fragte nicht, ob’s schwer sei oder leicht.
König Teut. Hätt’ ich’s doch so mit dir gemacht!
Teut, der junge. Tu’s noch!
Ich bin bereit! Wenn du nur opfern willst:
Ich biete mich als Opfer dar! Doch kann’s
Nicht hier geschehn! (Er wendet sich gegen den Hain.)
König Teut. Kehr dich nicht wieder um!
Zurück mit dir!
Teut, der junge. Du mahnst mit Recht, es währt
Zu lange! Also: her mit deinem Schwert!
In deiner Väter Namen fordre ich’s,
Sie stehen hinter mir und treiben mich!
Ich tat, was Sie geboten, und du sollst,
Wie ich, gehorchen, denn du bist ihr Sohn,
Wie ich der deinige, und was ich dir,
Das bist du ihnen schuldig.
König Teut, Nimm mir’s ab!
Teut, der junge. Das wird geschehn!
Theoda, Tu’s! Tu’s! Das nächste Mal
Wird dich der Ur zerreißen, wenn du jagst,
Ich seh’ den Stein schon, über den du fällst.
Oh, wär’ ich doch dabei!
König Teut. Feig?
Teut, der junge. Das ist Schmach!’
Feig? Ward dies Wort für mich gemacht? Ich hab’s
Noch niemals brauchen hören, wenn sich nicht
Der Hase zeigte. Feig! (Er schlägt sich selbst.) Ein Hund, ein Hund,
Wer’s so weit kommen ließ! Vater, du bist
Mein Feind, mein einz’ger Feind! Komm an! Doch nein,
Nicht so, nicht so! (Er wirft fein Schwert von sich.)
Wer dieses Wort vernimmt,
Dem wachsen Krallen, und auf seinem Haupt
Wird jedes Haar zu einem starren Spieß,
Daß er auch waffenlos sich rächen kann!
(Er dringt auf seinen Vater ein.)
König Teut. Auch das ist Schmach!
(Er wirft gleichfalls sein Schwert weg.)
So mach’ ich’s wieder wett!
Das ist das erstemal! Nun will ich dich
zusammendrücken, daß das rote Blut
Dir aus dem Halse springt! (Sie packen sich zugleich und ringen.)
Adler. Merkt auf! Merkt auf!
Wer siegt, hat recht!
Teut, der junge (im Ringen). Und beugt sich!
König Teut (im Ringen). Wenn er lebt!
König Teut (fällt).
Adler. Der König fällt!
Velleda. Muß ich das sehn und darf
Den Sieger nicht verfluchen? Welch ein Tag!
(Sie kniet neben dem König nieder.)
Die Krieger (senken ihre Äxte, ohne ihre Reihen jedoch aufzulösen).
Wolf, Bär, Hund und andere (dringen mit Jubelgeschrei herein).
Hallo!
Teut, der junge. Du liegst!
König Teut. Wer liegt, den tötet man!
Teut (springt auf).
Er liegt! Mein Vater liegt! Was nun? – Das Schwert!
(Er nimmt das Schwert des Königs auf.)
Mutter, ich hätt’ es nie gedacht!
Bär. Er steht
Schon wieder auf, und stärker als zuvor,
Wenn du nicht schnell mit ihm ein Ende machst!
Teut, der junge. Das kann ich nicht!
Bär. Dann wird’s dir schlecht ergehn!
Wolf. Hoho! Wer hat in einem Spiel bei uns
Zwei Würfe! Wenn er sich nicht fügen will,
So zwingt man ihn!
König Teut (wie aus tiefem Schlaf erwachend). Wer bin ich?
Velleda. Stehe auf!
König Teut. So lieg’ ich? (Er richtet sich etwas auf.)
Ha! Ist denn die Nacht schon da?
Nein doch, es ist noch hell! – Mein Kopf ist heiß!
Ich glaub’, er birst mir noch! Kennst du das auch?
Das ist wie Schmerz! (Er befühlt sich den Kopf.)
Doch, woher kommt mir Schmerz?
Gibt’s Schmerzen ohne Wunden? Könnte ich
Doch bitten: macht mir eine mit der Art,
Ich brauche eine Wunde!
Velleda. Steh nur auf!
König Teut, War das ein Tier, das mich daniederwarf?
Ein Tier! Was für ein Tier? Der Bär? Ei, ei,
Ich mach’ ja zwei aus einem, wenn sich der
Hervorwagt aus dem Dickicht! Eber? Ur?
Wolf? Maulwurf? Hase? (Er lacht.)
Velleda, Höre jetzt auf mich!
König Teut. Wenn das ein Tier tat, war es fürchterlich,
So fürchterlich wie — Nun, was war denn noch
So fürchterlich? (Er fährt sich über die Stirn.)
Weg, weg! Auf, jagen wir’s!
Und das Sogleich! Wenn sich dies Tier vermehrt,
Vertilgt’s uns miteinander! (Er springt auf.) Folgt mir nach!
Wer’s Schwert hat, muß voran! (Er macht eine Bewegung,.)
Bär. Er schwingt den Arm,
Als hätt’ er’s in der Hand!
König Teut. Wer hat mein Schwert?
(Er kehrt sich um und erblickt Teut.)
Du? (Er bricht furchtbar aus.)
Ha, ich ward besiegt von meinem Sohn!
Bär, Von unsrem Gott durch ihn!
König Teut. Bär, hüte dich!
Der konnte mich besiegen, weil ich ihn
Ins Leben rief und meine eigne Kraft
Ihm in die Adern goß! Das merke dir!
Ich fiel nur durch mich selbst! Ihr werdet mich
Nicht überwinden, darum trotzt mir nicht!
Auch dieser wird es nicht zum zweitenmal! (Er tritt vor Teut hin!)
Versuch es, wenn du’s wagst!
Wolf. Halt ein, halt ein!
Wohnt nicht das Recht beim Sieg?
König Teut. Das glaubten wir!
Wolf. Und glauben’s noch!
König Teut. So fallt ihr alle ab?
Auch das noch! Doch nur der Regenwurm kriecht fort,
Wenn man ihn halb zertreten hat, der Bär
Braucht seine Tatze im Verenden noch,
Bis ihm sein Feind den letzten Stoß versetzt.
Ich will des Bären Recht! Seit wann ist’s Brauch,
Daß der Besiegte wieder aufstehn muß?
Soll ich der erste unter allen sein,
Der seine Schande täglich wiederkäut?
Mir stünde eine blut’ge Rache zu
Für jeden Atemzug, zu dem du mich
Verdammtest, seit ich lag, ich will sie nicht,
Doch nun verlange ich den schnellsten Tod!
Velleda. Nicht weiter, Teut! Er warf des Fremdlings Schwert
Weit von sich, und mit ihm den halben Steg,
Er wollte unterliegen!
König. Teut (zu Teut). Hast du mich
Dahingestreckt? Wie! Oder Bin ich nur
Gefallen über Steine und Gestrüpp?
Mach rasch, Sonst glaub’ ich dies!
Velleda. Du hast mich nie
Geliebt!
König Teut. O wär’ das wahr! (Zu Teut.) Muß ich dich erst
Mißhandeln wie vorher?
Teut, der junge. Tu’s, wenn du willst,
Ich rühr’ dich nicht mehr an! Ich hab’ vollbracht,
Was mir geboten war, dein Schwert ist mein!
Nun überschütte mich mit Schmach, wirf mich
Zu Boden, tritt mich, heilig bist du mir,
Und stumm erdulden werd’ ich’s wie ein Stein!
König Teut. Fehlt dir der Mut? So war Bei deinem Sieg
Auch nicht das Recht, und kommen wird der Tag,
Wo das Gefühl, das jetzt den Arm dir lähmt,
Dich mir zu Füßen niederwerfen wird,
Dann werde ich dir zeigen, was ich kann!
Ja, ja! Ich schließe jetzt an deiner Statt
Mich in die Höhle ein und scheide mich
Von Licht und Luft! (Zu Velleda.) Du wirst mich nicht dahin
Begleiten! Sprich nicht ja! Ich wiese dich
Zurück, auch wenn du wolltest!
Theoda. Aber ich!
König Teut. Du?
Theoda. Ja! Wo wär’ mein Platz noch auf der Welt,
Wenn nicht bei dir? Er hat ja keinen Feind
Als dich! Wer ballt noch gegen ihn die Hand?
König Teut. So folge mir! – (Zu Teut.)
Mit keinem einz’gen Schritt
Verlass’ ich sie, bevor du selbst mich holst,
Und würd’ ich lahm und blind, eh das geschieht!
Doch, wenn du kommst — und daß du kommen wirst,
Ist So gewiß, wie eines Vaters Recht! —
Dann sprech’ ich nicht: Es ist nun alles gut,
Du hast bereut! und reiche dir die Hand!
Dann räch’ ich mich für jeden Sonnenstrahl,
Den ich entbehrt, Für jeden Hauch der Luft;
Dann straf’ ich dich, daß nie auf dieser Welt
Der Vater mehr den Sohn zu strafen braucht! (Zum Volk.)
Ihr aber schweigt und harrt des großen Tags,
Der zwischen Sohn und Vater richten wird! (Ab.)
Theoda. Nun hör auch mich! Ich gehe mit dem Greis
Und Sorge, daß ihm nie die Speise fehlt,
Damit er dir das alles halten kann!
(Sie will gehen, kehrt aber wieder um.)
Ja, das noch! Lächelt dir ein Mädchen zu,
So töt’ ich Sie! Dies merke jede sich,
Der langgelocktes Haar vielleicht gefällt,
Ich dulde keine, die sich so vergißt! (Sie geht, kehrt aber nochmals um.)
Dem Hund sogar, der deinen Spuren folgt,
Zerschmettre ich den Kopf mit einem Stein! (Ab.)
Wolf. Mir ist, als seh’ ich die zum erstenmal!
Die wär’ für mich!
Bär, Man hätte was an ihr
Zu zähmen, meinst du?
Wolf. Nicht doch!
Adler (zu Teut, auf den Hain deutend). Führ uns jetzt!
Teut, der junge. Das darf ich nicht! – Das Schwert wird
heiß und schwer
In meiner Hand, ich trag’s an seinen Ort!
(Er geht in den Hain. Ihm tritt Hieram entgegen.)
Hieram. Hast du’s?
Teut, der junge. Ich bring’s!
Hieram (für sich). Ich seh’ kein Blut an ihm.
So hätte auch der König sich gefügt?
Ich hätt’ es nicht gedacht! (Zu Teut) Dein Vater?
Teut, der junge. Ging
In eine Höhle, die er niemals mehr
Verlassen will!
Hieram, Der Tod ihm, wenn er’s tut,
Und nicht um anzubeten kommt! Wer ihn
Zuerst erblickt, vollziehe dies Gebot.
Sonst stirbt er selbst! (Er deutet auf die Krieger.)Was wollen aber die?
Teut, der junge. Mein Vater hat sie aufgestellt!
Hieram. Zum Kampf!
(Schreitet vorwärts und bleibt zwischen den Kriegern stehen.)
Äxte? Gut! Für die Wälder! (Er schreitet hindurch.)
Adler (ängstlich zu Wolf). Ist er des?
Wolf. Knien wir?
Adler. Mich treibt’s!
Wolf. Das ist sein Diener nur!
Er selbst – Stell dir ein düstres Feuer vor,
Doch eins, das Arme hat und einen Kopf!
I
Adler (nähert sich Hieram, scheu).
Greis – diese –
Hieram. Was?
Adler. Sie haben ihn gesehn,
Und wir — wir möchten auch —
Hieram. Verdient’s zuvor! L
Wolf. Wir kamen erst! Ihr steht mit Recht zurück!
Adler. Was sollen wir? Gebeut!
Hieram (auf die Äxte deutend). Rund um euch her
Die Wälder fällen! Dieser Eichenhain
Ist unantastbar bis aufs letzte Blatt.
Doch alle andern rottet ans! Euch soll
Die mächt’ge Flamme helfen, wo sie kann!
Adler, Bär, Wolf. Die Wälder!
Hieram. Stutzt ihr? Scheint es euch zu schwer?
Und sag’ ich euch: Ihr tragt die Berge ab
Und dämmt das Meer damit, so fängt ihr an.
Adler. Das tun wir auch!
Hieram. Was denn?
Wolf. Wir meinen nur —
Bär. Wenn wir die Wälder fällen, sterben ja
Die Tiere mit! Wir aber leben nur
Von ihrem Fleisch, denn selten finden wir
Nabrhafte Wurzeln, Honig niemals fast!
Was essen wir, wenn’s uns an Fleisch gebricht?
Hieram (nimmt einen Kloß Erde auf, hält ihn in die -Höhe).
Adler. Was wir mit Füßen traten?
Hieram. Wehe euch,
Daß ihr nichts andres tatet! (Er deutet gen Himmel.) Schaut hinauf!
Was seht ihr droben?
Adler. Nichts!
Hieram. Was siehst du, Teut?
Teut, der junge. Was ich so gern sah: Farben, bunt und schön,
Wie immer, wenn die Sonne untergeht.
Hieram. Viel schönre Farben birgt der schwarze Kloß!
Kein Blau am Himmel ist so rein und klar,
Kein Rot so brennend, daß die Blumen es
Nicht überträfen, die er treiben wird,
Zahlloser, wie das Sternenheer bei Nacht!
Teut, der junge. Wann? Bald?
Hieram. So bald ihr wollt! Je schneller ihr
Die Wälder fällt, je rascher wird’s geschehn!
Teut, der junge (zum Volk).
Auf! Tag und Nacht! Nicht wahr?
(Alle erheben die Äxte.)
Hieram. Auch strotzt der Kloß
Von tausendfält’gen Früchten, alle reich
An Kraft und Nahrung, und verschieden doch
An Würze, wie an Farbe und Gestalt.
Ihr kennt nur Wurzeln, die der Hase einst
Verschmähen wird, und die die Erde bloß ‘
Erzeugt, damit ihr graben lernen sollt.
Doch kommen wird die Zeit, wo euch ihr Schoß
Von unten mit der roten Beere fromm
Entgegenschwillt, indes der güt’ge Baum
Das goldne Obst von oben fallen läßt,
So daß, wer sich nicht niederbücken mag,
Nur über sich hinauf zu greifen braucht.
Dann wird für euch ein wunderbarer Trank
Auch fließen, welcher euch des Durstes Qual
Zur Wonne macht, nur muß die Sonne erst
Die Trauben reifen, denen er entquillt!
Teut, der junge. Hört ihr’s?
Velleda. Oh, hätt’s dein Vater auch gehört!
Hieram. Dem allen wehrt der dicke Wald, er schluckt
Die Sonnenstrahlen ein und bringt euch nichts
Als bittre Eicheln, darum muß er fort!
Teut, der junge (zum Volk)
Holt Feuerbrände!
Adler, Bär, Wolf und andere (eilen ab).
Hieram. Aus den Bäumen sollt
Ihr Häuser baun, daß ihr den Bären nicht
Aus seiner Höhle mehr zu jagen braucht,
Wenn ihr euch vor dem Regen ducken wollt!
Auch Schiffe sollt ihr zimmern, Fische, die
Von Holz sind. daß das bodenlose Meer
Euch tragen und der allgewalt’ge Sturm,
Dem ihr den Odem abfangt, wenn er bläst,
Euch Knechtesdienste leisten muß! Denn euch
Ist alles untertan, solange ihr
Dem Gott euch beugt und jede Tat vollbringt,
Die er durch (mit einer Handbewegung gegen seine Brust)
Seines Priesters Mund gebeut.
Ja, wie die Milch in eine Mutterbrust,
So trat, als er zu euch herunterstieg,
In eure alte Erde neuer Saft,
Der nie versiegen und aus jedem Halm
Euch jung und frisch entgegenspritzen wird,
Wenn ihr ihm niemals trotzt und euch empört!
Teut, der junge. Mutter! (Er umarmt Velleda.)
Velleda. So dachte ich’s mir stets: Zuerst
Ein zornig Angesicht, und dann, nur halb
Geöffnet, eine übervolle Hand,
Die fallen läßt, was sie nicht geben mag.
Adler, Bär, Wolf usw. (kehren mit Feuerbränden zurück).
Hallo! Hallo!
Teut, der junge. Nun auf!
Hieram. Zuvor vernehmt
Noch ein Geheimnis! Werft euch auf die Knie
Und hört den.Namen, den die Sterne hell
Erklingen lassen, seit sie ihren Tanz
Begonnen haben, Wind und Welle dumpf,
Den Namen eures Gottes! (Alle knien nieder.)
Hieram, Was ihr tut,
Das tut in diesem Namen, und es wird
Gedeihen; wenn ihr euch ermattet fühlt,
So ruft ihn, und ihr werdet wieder stark;
Und wenn er auch nur in den Sinn euch kommt,
So beugt euch still und schlagt euch an die Brust!
Horcht auf! Sein Nam’ ist Moloch!
(Er schlägt sich an die Brust, die übrigen tun es ebenfalls,
dann erheben sie sich.)
Teut, der junge. Jetzt?
Hieram. Du legst
Zu seinen Füßen erst das Königsschwert,
Dort ist sein Platz in alle Ewigkeit!
Teut, der junge (mit dem Schwert in den Hain ab).
Hieram (tritt vor).
Jetzt bin ich Herr! Und das ist ganz so viel,
Als ob das Blut, das all den Tausenden
Die Adern schwellt, in meine eignen sich
Ergösse, und die jugendliche Kraft,
Die sie durchglüht, in meine Greisesbrust
Hinüberströmte, wie der Wasserschwall
Der wilden Flüsse in das stille Meer!
So bin ich alt und jung zugleich: ich will,
Was ein Jahrhundert in mir zeitigte
Und keine Ewigkeit mehr knickt, weil es
Den Winterfrost bestand, doch feurig führt’s
Ein taufendarm’ger Jüngling für mich aus.
Wenn’s Götter gebe, wär’ das Götterart,
Allein die gibt’s nicht, und dem Menschen fehlt,
Wenn er auch Herr ist und, wie ich, ein Volk
An (ich geknüpft hat, die Unsterblichkeit!
Doch, wie das Leben auf ein Kind, so kann
Er den Gedanken auch, der ihn erfüllt,
Auf den vererben, der zumeist ihm gleicht.
Das will auch ich, damit der dunkle Tod
Nur mich, und nicht mein Werk, zertreten kann,
Und meine Wahl ist Teut! Doch muß ich ihn
Noch härten, muß das Herz in seiner Brust
Ausbrennen, dies Geschwür vom Weibe her,
Damit er stark und kalt wird wie ich Selbst!
Teut, der junge (kehrt zurück).
Was du gebotst, geschah!
Hieram. So hört noch eins!
Flieht diesen Hain! In jeder Mitternacht
Spricht er zu mir! Dann ist sogar das Ohr
Des Vogels fest versiegelt, und ein Mensch,
Der in den Hain sich wagte, fiele um
Beim ersten Schritt und stünde nie mehr auf!
Nur ich kann seiner Stimme Donnerlaut
Vernehmen, ohne daß der Tod mich rührt,
Ich sterb’ erst, wenn sein letztes Wort erscholl.
Mir tut er kund, was morgen schon durch dich,
Mir, was durch deiner Enkel spätesten
Erst nach Jahrtausenden geschehen soll;
Ich seh’ den ganzen Lauf der Zeit voraus!
Dir sagt mein Mund, was er von dir verlangt,
Dem Enkel sag’s das Buch!
Teut, der junge. Was ist das Buch?
Hieram. Ein Wunderwesen, das nicht lebt, und doch
Darum nicht tot ist, dem ich meinen Geist
Einhauchen werde, eh er mich verläßt,
Das keine Zunge hat und dennoch spricht,
Und das zu dem, der mit den Augen hört!
Einst werdet ihr das fassen: Nun ans Werk!
Mann, Weib und Kind gemeinsam! Ist’s vollbracht,
So geb’ ich jeglichem nach seinem Sinn
Ein eigenes Geschäft! Euch führe Teut!
Ich sprech’ durch ihn, wie Moloch spricht durch mich!
Teut, der junge (auf Hierams Wink das weggeworfene Schwert
wieder aufnehmend und schwingend).
So hütet euch, ihr Eichen, vor der Axt,
Ihr Tannen, vor dem Feuer! Auf denn, auf! (Er eilt voran.)
Im Namen Molochs!
Das Volk (die Äxte und Feuerbrände schwingend). Im Namen
Molochs, auf!
(Sie verbreiten sich im Walde und beginnen ihr Werk. Eichen
werden gefällt, Tannen angezündet.)
Hieram. Erzittre, Rom! Wie auf die Bäume jetzt,
So werden sie, vertaufendfacht, dereinst
Auf dich sich stürzen und dein Kapitol
Zertrümmern bis auf seinen letzten Stein!
(Er wendet sich gegen den Hain.)
Du aber, Hand, die du das Schwert verschenkt,
Nimm jetzt den Griffel auf und schreib das Buch,
Durch das ich sie, auch wenn ich nicht mehr bin,
Beherrschen will in alle Ewigkeit! (Er geht in den Hain.)