Sozialarbeiterin May Chalin Marquardt gibt einen Einblick in ihren Arbeitsalltag in der Asylbewerber-Betreuung

#Gütersloh – „May Chalin“, fröhlich rufend kommen die vier kleinen Mädchen und Jungen May Chalin Marquardt aus der Turnhalle entgegen gelaufen und nehmen sie in die Arme. Sie kennen die 26-Jährige bereits, denn als Sozialarbeiterin bei der Stadt Gütersloh besucht Marquardt die Flüchtlingsunterkunft mindestens ein Mal in der Woche für eine Sprechstunde. In dieser Zeit haben die Bewohner Gelegenheit, Anliegen und Fragen zu ihrer persönlichen Zukunft in Deutschland vorzubringen. „Wie geht es wohnlich für meine Familie und mich weiter?, Wann kann ich meinen Asylantrag stellen?, Wo kann ich einen Sprachkurs absolvieren?, Wann darf ich arbeiten gehen?“, zählt die Sozialarbeiterin nur einige Fragen auf, die ihr häufig gestellt werden.

Gemeinsam mit ihren Kollegen Stefanie Logen, Susanne Pollmeier und Hugo Haupt ist Marquardt für die Asylbewerber-Betreuung zuständig. „Wir versuchen mit unserer Präsenz und Arbeitskraft den Menschen zu helfen hier Fuß zu fassen“, beschreibt May Chalin Marquardt einen wichtigen Bestandteil ihrer Aufgaben. Mindestens ein Mal pro Woche besucht die Sozialarbeiterin gemeinsam mit ihrer Kollegin Stefanie Logen insgesamt sieben Gemeinschaftsunterkünfte und zwei Sporthallen für Sprechstunden. „Viele Bewohner nutzen die Gelegenheit auch für Unterhaltungen, etwa um von sich selbst zu erzählen oder um von Erlebnissen in der Unterkunft oder im Sprachkurs zu berichten“, sagt Marquardt. Beim Besuch in der Turnhalle wird deutlich, dass sich nicht nur die Kinder freuen, die Sozialarbeiterin zu sehen. Die erwachsenen Bewohner nehmen das Sprechstunden-Angebot gerne an und einige von ihnen kommen ohne Scheu nacheinander auf die junge Frau zu, um ihre Anliegen vorzutragen. Einen festen Ort für ihre Sprechstunde hat Marquardt in der Turnhalle nicht. Oft wird sie höflich von den Familien in den Gängen, vor der Halle oder im Speise-Bereich angesprochen, aber auch zum Gespräch in eine der abgetrennten Wohn-Boxen gebeten. Marquardt nimmt sich für jedes Anliegen viel Zeit: „Meine Kollegen und ich erklären in den Gesprächen immer sehr viel, denn wir wollen für die Menschen alles so transparent wie möglich machen und ihnen nicht das Gefühl geben, dass wir über ihre Köpfe hinweg etwas entscheiden.“

Sprachliche Barrieren können die Gespräche manchmal erschweren. „Mittlerweile beherrsche ich zwar wenige Worte Arabisch“, sagt die junge Frau, „für eine Beratung reichen die aber natürlich nicht aus“. Hauptsächlich verständige sie sich in Englisch mit den Bewohnern. „Falls ich damit nicht weiterkomme, gibt es immer einen Bewohner, der seine Hilfe anbietet und dolmetscht“, weiß Marquardt aus Erfahrung. Ihr ist es wichtig, keinen Unterschied zwischen den Asylsuchenden und ihren Anliegen zu machen. Dabei spiele es keine Rolle, aus welchem Land der Asylbewerber stamme, welche Sprache er spreche, ob es sich um Alleinreisende oder Familien handle und ob der Bewohner gute Aussichten auf einen positiven Asyl-Bescheid habe. „Ich behandle alle Menschen und ihre Fragen gleich.“ In manchen Fällen könne aber auch sie den Asylsuchenden nicht helfen und verweise sie an die Ausländer-Behörde.

In den Sprechstunden übernimmt May Chalin Marquardt ebenso wie ihre Kollegin Stefanie Logen viele Rollen: Sie ist Ratgeberin, Vermittlerin und Vertrauensperson zugleich. Und auch für einen kleinen Scherz mit den Kindern ist die Sozialarbeiterin immer zu haben. „So viel Zeit muss einfach sein.“ Die 26-Jährige liebt ihre Tätigkeit. „Ich lerne viele verschiedene Menschen aus vielen verschiedenen Ländern mit ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten kennen“, sagt sie.

Da in den Gemeinschaftsunterkünften regelmäßig Zimmer frei werden, hilft Marquardt den Asylsuchenden auch bei ihren Umzügen von einer Turnhalle in eine Gemeinschaftsunterkunft. Anhand verschiedener Kriterien entscheidet das Team im Rathaus vorab, wer aus einer Turnhalle in eine Gemeinschaftsunterkunft ziehen darf. „In der Regel ist solch ein Umzug immer eine wohnliche Verbesserung“, erklärt die Sozialarbeiterin, während sie sich von ihrem Büro im Rathaus auf den Weg in die Unterkunft macht. An diesem Tag sind es drei Männer, denen Marquardt beim Umzug hilft.

Als sie vor der Turnhalle vorfährt, hat der erste Mann sich bereits auf den Umzug in eine Gütersloher Gemeinschaftsunterkunft vorbereitet. Ein kleiner Koffer und ein großer Plastiksack werden in das Auto geladen – mehr Habseligkeiten hat er nicht. Marquardt bringt ihn mit dem Auto zu seiner neuen Bleibe und zeigt ihm gemeinsam mit dem Hausmeister das Zweibett-Zimmer, die Gemeinschaftsküche, das Bad und die Wasch-Küche. Anschließend bringt sie einen Vater mit seinem Sohn von einer Turnhalle in eine andere Gütersloher Gemeinschaftsunterkunft. Bei der Verladung des Gepäcks in ihr Auto packt die junge Sozialarbeiterin beherzt mit an. Die 26-Jährige nutzt Gelegenheiten wie Umzüge auch, um sich regelmäßig einen Eindruck von den Unterkünften zu machen. Sie tauscht sich mit den Hausmeistern aus und bringt Piktogramme etwa zur korrekten Müll-Trennung in der Küche an.

In den städtischen Unterkünften leben derzeit insgesamt 863 Geflüchtete. Seit dem 1. Januar sind 119 Flüchtlinge zugezogen, 156 Personen verzogen und 47 Menschen in diesem Zeitraum aufgrund von Familienzusammenführung zugewiesen worden. Nach aktuellem Kenntnisstand rechnet die Stadt Gütersloh in diesem Jahr noch mit der Aufnahme von weiteren rund 700 Flüchtlingen.

Die mobile Version verlassen