E-Zigaretten sind für Kinder und Jugendliche besonders gefährlich. Mit der E-Zigarette werden nach Auffassung der deutschen Kinder- und Jugendpsychiater die großen Erfolge der Tabakprävention der letzten Jahre unterlaufen und in ihr Gegenteil verkehrt. Das von der Bundesregierung geplante Tabakwerbeverbot muss zum Schutz von Kindern und Jugendlichen daher auch für E-Zigaretten gelten. Prof. Dr. Dr. Martin Holtmann ist Mitglied der Suchtkommission der deutschen Kinderpsychiater und Ärztlicher Direktor der LWL-Universitätsklinik Hamm für Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Trägerschaft des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Im Gespräch erklärt er die unterschätzten Gefahren der E-Zigarette.
Warum erhöht die E-Zigarette das Einstiegsrisiko für Tabakkonsum bei Jugendlichen?
Martin Holtmann: Es gibt weiter einen Rückgang des Tabakkonsums bei Kindern und Jugendlichen zu verzeichnen, aber wir erkennen bei den E-Zigaretten einen klaren Aufwärtstrend bei Jugendlichen. Um das Risiko dieser Entwicklung zu verstehen, müssen die Besonderheiten der jungen Altersgruppe berücksichtigt werden: Während E-Zigaretten manche Erwachsene dabei unterstützen können, zeitweise auf Tabakprodukte zu verzichten, erhöhen sie für Kinder und Jugendliche das Einstiegsrisiko für das Rauchen von Tabakzigaretten.
Auf welche Art und Weise sprechen die E-Zigaretten Jugendliche besonders an?
Martin Holtmann: Jugendliche werden durch die Aufmachung der Werbung, “trendige” Produkte mit puristischem Design und den aromatischen Geschmack zum Konsum animiert. Das führt bei Jugendlichen nachweislich zu mehr Konsum von E-Zigaretten. So experimentieren junge Nie-Raucher häufiger mit konventionellen Zigaretten, wenn sie zuvor E-Zigaretten konsumiert haben. Dieser Einfluss fällt vor allem in der Gruppe derjenigen Jugendlichen auf, die an sich ein generell niedrigeres Risiko haben, überhaupt mit dem Rauchen zu beginnen.
Der Geschmack von E-Zigaretten ist anders als bei herkömmlichen Zigaretten. Worin liegen die Gefahren?
Martin Holtmann: E-Zigaretten verharmlosen die Gefahren des Nikotinkonsums, indem sie Warnsignale herkömmlicher Zigaretten (bitterer Geschmack, Rauch) überstrahlen oder unterdrücken. Die Verknüpfung vermeintlich “cleaner” Produkte mit modernem Lifestyle und Werten wie Gesundheit, Gemeinschaftserleben und Leistungsfähigkeit muss als besonders gefährlich angesehen werden. Für Jugendliche sind E-Zigaretten aber eben nicht harmlose Lifestyle-Produkte und auch nicht die “beste Alternative zur Zigarette”. Die von den Herstellern propagierte Botschaft von der “rauchfreien Zukunft”, gekoppelt mit neuen Produkten und intensiver Werbung, gefährdet die Erfolge der Tabakprävention der letzten Jahre. Innovative Prävention muss über dieses Zerrbild des “gesunden Rauchens” aufklären. In den USA hat die Zahl Minderjähriger, die E-Zigaretten nutzen, bereits dramatisch zugenommen. Neben diesem Trend lösen in den letzten Monaten Berichte aus den USA über Gesundheitsschäden und Todesfälle nach dem Konsum von E-Zigaretten große Besorgnis aus.
Wie lässt sich dieser gefährliche Trend aufhalten?
Martin Holtmann: Die Suchtkommission der deutschen kinder- und jugendpsychiatrischen Verbände und wissenschaftlichen Fachgesellschaft spricht sich für ein striktes und umfassendes Werbeverbot für E-Zigaretten und für alle Tabakprodukte aus. Sie fordert wirksame Maßnahmen zur Durchsetzung des Jugendschutzgesetzes sowie für eine unabhängige Erforschung der Risiken der E-Zigaretten.
Umfassendes Werbeverbot für E-Zigaretten und für alle Tabakprodukte notwendig
Positionspapier der gemeinsamen Suchtkommission der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaft und -verbände Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland (BKJPP); Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (BAG KJPP) und Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP)
Der LWL im Überblick
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit mehr als 17.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 116 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.