Jugendhilfe – Dank Sport bestens in Deutschland angekommen

Versmold. Minutenlanges Seilchenspringen und sobald das Seil hängen bleibt, zehn Liegestütze – so beginnt das Training von Sajad Sadat. Und damit wird aus dem Jugendlichen, der vorher leicht schüchtern schien, ein junger erfolgreicher Sportler, dem man seine schwierige Lebensgeschichte und seine Sorgen um die Familie nicht ansieht: Der 17-Jährige kam im Januar aus Afghanistan nach Deutschland und trainiert seit sechs Monaten das Kick-Thai-Boxing. Seine Eltern schafften es nicht mit ihm nach Versmold – sie sind derzeit in der Türkei – damit übernahm die Abteilung Jugend des Kreises Gütersloh die Verantwortung für den Flüchtling. Die Aufgaben des Kreises: Angemessene Unterbringung, Betreuung, Beschulung und die Einrichtung einer rechtlichen Vertretung (Vormund), weil die Eltern abwesend sind.
„Sajad ist ein sehr netter Junge, der um seine Integration in Deutschland bemüht ist. Er lernt fleißig Deutsch und geht gerne in die Schule“, sagt Diplom-Sozialarbeiterin Hanna Acikportali von der Abteilung Jugend. „Wir haben im Kreis Gütersloh aktuell rund 120 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht“, erklärt sie. Die meisten seien zwischen 15 und 17 Jahre alt, überwiegend männlich und stammen im Besonderen aus Syrien und Afghanistan. „Die jungen Leute sind entweder in Einrichtungen der Erziehungshilfe oder bei Verwandten in den verschiedenen Kommunen untergebracht“, ergänzt Acikportali.

Seit sechs Monaten trainiert Sajad zwei Mail pro Woche in der Sportakademie Dr. Lee – und das konsequent, ohne gelegentlich zu schwänzen, wie sein Trainer Andreas Klein es von anderen Jugendlichen durchaus kennt. Beim Kick-Thai-Boxing handelt sich um die härteste Kampfsportart, die in Deutschland erlaubt ist. „Bei unserem Sport ist alles erlaubt“, erklärt Klein. Dies gelte aber ausdrücklich nur für den Sport. „Aggressionen können auf der Matte ausgelebt werden, die Techniken dürfen aber keinesfalls draußen angewendet werden“, betont der Kickbox-Meister. Sollten Vorfälle außerhalb bekannt werden, droht der Ausschluss aus dem Verband.
„Der Sport macht mir Spaß“, betont Sajad. Nach einem dritten und zweiten Platz hat er inzwischen bereits ein Turnier gewonnen und kann nun stolz seine Medaillen vorzeigen. Dafür muss er allerdings hart trainieren: 500 Liegestütze und 200 Sit-Ups können bei so einer Trainingseinheit schon mal vorkommen.

Sajad Sadat wohnt im Projekt ‚Maidornstrasse‘ des Vereins Trotzdem e.V. Dabei handelt es sich um eine Einrichtung für männliche Jugendliche. Ziel des Projekts ist es, durch ein interdisziplinäres Team aus Handwerkern und Pädagogen gemeinsam mit den Jugendlichen individuelle Entwicklungswege zu finden. Durch die allgemein hohe Anzahl an Flüchtlingen – auch in den Kommunen im Kreis Gütersloh – wurden nun unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Projekt ‚Maidornstrasse‘ aufgenommen. Jürgen Hagenbäumer, Erzieher bei Trotzdem, erklärt: „Es ist etwas Besonderes, dass wir einen Jugendlichen haben, der so kontinuierlich einer Sache nachgeht.“ Das sei in der Jugendhilfe nicht selbstverständlich. Neben dem Sport steht für Sajad Sadat weiterhin das Lernen der deutschen Sprache auf dem Programm. Aktuell besucht er das Berufskolleg Halle. Sein Ziel: Ein Schulabschluss und dann ein Beruf im IT-Bereich.

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