Halle (straßen.nrw). Mit diesem schnellen Erfolg haben selbst die Experten nicht gerechnet: In einen Fledermaus-Kasten an der A33 ist eine Kolonie Bechsteinfledermäuse eingezogen. 13 Tiere wurden gezählt. “Eine Minikolonie”, gibt Thomas Kämpfer, Straßen.NRW-Landespfleger, zu. “Doch wir hoffen natürlich, dass noch mehr Tiere folgen.”
Bis zu 189 Arten rücken in den Blick, wenn Straßen neu- oder ausgebaut werden. Zu den so genannten “planungsrelevanten Arten” gehören Vögel wie Kiebitz oder Wachtel, Säugetiere wie Biber, Fischotter oder Haselmaus, unterschiedliche Insektenarten und eben Fledermäuse. Fledertiere orientieren sich bei ihrem Flug am Gelände und auch am Baumbestand. Verändern sich zum Beispiel durch den Bau einer neuen Straße diese Orientierungspunkte, kann das einen Fledermaus-Bestand gefährden. Viele dieser Tiere sind streng geschützt – Straßenplaner müssen sich darum schon vor dem ersten Spatenstich für ein Straßenbauprojekt um die nachtaktiven Flugkünstler kümmern. Dazu gehört in jedem Fall eine genaue Bestandsaufnahme, die im Rahmen der planerischen Vorarbeiten ansteht – Standard bei Bauprojekten von Straßen.NRW. “Straßenbau ist immer auch ein Eingriff in die Natur. Das ist uns bewusst”, sagt Straßen.NRW-Direktorin Elfriede Sauerwein-Braksiek. “Bei jedem neuen Projekt werden darum auch die Auswirkungen auf Natur und Landschaft genau betrachtet und die Ergebnisse fließen in die Planungen ein.”
Sechs Grünbrücken als Überflughilfe
Im Vorfeld ist auch beim Bau der A33 genau analysiert worden, welche Populationen hier rechts und links der geplanten Autobahn vorkommen. Thomas Kämpfer: “Unter anderem haben wir zwei von 17 in Nordrhein-Westfalen bekannten Wochenstubenkolonien der Bechsteinfledermaus in der Region zwischen Halle und Borgholzhausen nachgewiesen.” Für sie, wie für die zahlreichen anderen Arten – Braunes Langohr, Fransenfledermaus, Kleine Bartfledermaus, Große Bartfledermaus, Breitflügelfledermaus, Zwergfledermaus, Kleiner Abendsegler, Großer Abendsegler, Wasserfledermaus, Rauhautfledermaus oder Mückenfledermaus – wurden sechs Grünbrücken gebaut. Diese Überflughilfen stellen sicher, dass die Fledermäuse nach der Freigabe der Autobahn nicht mit dem Verkehr kollidieren.
Monitoring seit 2013
Für die Tiere geht es aber nicht nur um das sichere Fliegen und Jagen. Straßen.NRW muss auch nachweisen, dass sich die geschützten Arten weiterhin in ihrem angestammten Revier wohlfühlen und fortpflanzen. “Seit 2013 haben wir ein Monitoring eingerichtet, mit dem wir unsere Angebote wie die Grünbrücken oder auch Fledermauskästen systematisch überprüfen”, so Kämpfer. Und bei der letzten Nachschau in einem der Fledermauskästen haben die beauftragten Experten dann die spektakuläre Entdeckung gemacht: Drei Männchen und zehn Weibchen der seltenen Bechsteinfledermaus hatten sich in einem der Kästen niedergelassen. “Es war unter Fachleuten durchaus umstritten, ob die Tiere eine solche Ersatzbehausung überhaupt annehmen”, weiß der Landespfleger. Nun sind also die ersten Fledermäuse eingezogen. Nicht für immer, aber das gehört zur Lebensweise der Tiere, die häufig den Standort wechseln. Allerdings geben die Fledermäuse ihr Wissen über die möglichen Ruheplätze an den Nachwuchs weiter. “Wir hoffen also, dass die Kolonien wachsen und sie die Kästen dauerhaft nutzen.”
Nahrungsangebot schaffen
Sicher fliegen, in Höhlen ruhen und sich fortpflanzen – fehlt aus Sicht der Fledermäuse nur noch das Thema Fressen. Auf den Ausgleichsflächen, die Straßen.NRW für den Eingriff in die Natur durch den Bau der Autobahn geschaffen hat, finden sich darum auch Nahrungsquellen für die Fledermäuse. Streuobstwiesen locken Insekten an, die wiederum stehen auf dem Speiseplan der Fledermäuse. “Was hier an der A33 geschaffen wurde, zeigt, dass wir Lebensräume erhalten können. Und dort, wo das direkt an einer Straße nicht möglich ist, schaffen wir anderswo Ausgleichsflächen”, sieht Elfriede Sauerwein-Braksiek Straßen.NRW beim Thema Umweltschutz gut aufgestellt.
Hintergrund
- Fester Bestandteil von Straßen-Planungen ist es, die Auswirkungen des Neubaus auf Flora und Fauna zu untersuchen. Geht es um das Thema Fledermäuse, werden in der Regel von April bis September die im Projektbereich vorhandenen Fledermausbestände von spezialisierten Unternehmen erfasst.
- Dies geschieht unter anderem durch sogenannte Horchboxen, die Ausrufe von Fledermäusen aufzeichnen. Sie werden an Bäume angebracht. Ebenso untersuchen die Fachleute betroffene Flächen mit Fledermausdetektoren in der Dämmerung beziehungsweise im Laufe der Nacht. Aktuell läuft eine solche Untersuchung im Rahmen der Planungen zur Ortsumgehung Salzkotten.
- Sind Fledermaus-Bestände vorhanden, kann die Suche nach den Wochenstuben der Tiere über Sender erfolgen. Dazu werden Weibchen gefangen und mit einem Sender ausgestattet. Sie führen die Experten dann zu den Wochenstuben. Dort lässt sich schließlich am Ein- und Ausflugloch zählen, wie viele Tiere dort leben.
- Grundsätzlich muss bei jeder Baumaßnahme untersucht werden, welche planungsrelevanten Arten von einer Baumaßnahme betroffen sein können. Wird ein Vorkommen nur anhand der vorhandenen Lebensräume vermutet, muss genauer untersucht werden, ob es die Tiere tatsächlich gibt. Noch vor Baubeginn müssen entsprechende Ersatzhabitate geschaffen werden.
- In Wesel ist zum Beispiel für seltene Zauneidechsen ein Ersatzhabitat angelegt worden. Die Tiere wurden mit der Hand eingefangen und umgesiedelt, weil der Bau einer Umgehungsstraße ihren ursprünglichen Lebensraum beeinträchtigt.
- Bei den zahlreichen Brückenbauprojekten an der A45 geraten unter anderem Wanderfalken in den Blick. Tiere, die an den alten Brücken nisten, werden umgesiedelt und bekommen anschließend neue Brutmöglichkeiten an den Ersatzneubauten.
- Die Blutwiese in Löhne (Kreis Herford) hat sich zum Hotspot für Wasservögel entwickelt. Auf der Ausgleichsfläche brüten Gänse und auch Flussregenpfeifer wurden beobachtet. Auf den mageren Böden wurde zudem das stark gefährdete Niedrige Fingerkraut gefunden.