Gütersloh. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein veraltetes Computerspiel, ist in Wirklichkeit ein komplexes Planungsprogramm zur Regelung des Straßenverkehrs. Ulrich Elfers, Verkehrsingenieur der Abteilung Straßenverkehr, testet mit der Simulationssoftware die Leistungsfähigkeit und Sicherheit der Kreuzungen im Kreisgebiet. In nur wenigen Klicks startet der virtuelle Verkehr. Kleine und große Ovale markieren die Pkw und Lkw aus der Vogelperspektive. Aus allen möglichen Richtungen rollen sie auf die Ampelkreuzung zu. Dort warten bereits Fahrradfahrer und Fußgänger auf das grüne Signal.
Das Werkzeug kommt zum Einsatz, wenn neue Ampelanlagen installiert oder bestehende überprüft werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn an einer Kreuzung ein schwerer Unfall passiert ist. Mit dem Programm simuliert Elfers, wie eine andere Ampelschaltung den Verkehrsfluss beeinflusst. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die genaue Situation bekannt ist. „Nur so können wir erkennen, wo das Problem liegt und nach einer passgenauen Lösung suchen“, erklärt Bernhard Riepe, Sachgebietsleiter Verkehrslenkung.
Um eine möglichst realistische Verkehrslage zu simulieren, arbeiten die Experten mit den von der Abteilung Straßenverkehr sowie von Straßen.NRW erhobenen aktuellen Verkehrsdaten. Die spiegeln die Verkehrsbelastung zur Hauptverkehrszeit wieder. Denn der Verkehr soll auch zu Stoßzeiten fließen – und das möglichst sicher.
Außer den Verkehrsdaten aus den Erhebungen muss Elfers das Programm noch mit weiteren Informationen füttern: Die Geschwindigkeit der Fahrzeuge, die unterschiedlichen Parameter für Pkw und Lkw sowie Fußgänger und Radfahrer. In der Simulation halten sich alle Verkehrsteilnehmer vorbildlich an die Verkehrsregeln. Im wirklichen Leben ist das nicht immer so: Schulterblicke werden vergessen und Rot missachtet. So etwas kann auch ein optimiertes Ampelsystem nicht korrigieren.
Elfers startet einen Testlauf. Mit dem Programm variiert er die Ampelsignale auf der virtuellen Kreuzung. Dazu öffnet er ein neues Eingabe-Fenster und pflegt die entsprechenden Werte ein. Das Testszenario: Rechtsabbieger dürfen jetzt nicht mehr gleichzeitig mit den Fußgängern und Radfahrern die Straße überqueren. Stattdessen haben nur die Geradeausfahrer grünes Licht.
Doch wenn Elfers an einer Schraube dreht, dreht sich mit ihr das ganze Konstrukt. Noch so kleine Änderungen in der Signalschaltung haben Auswirkungen auf den gesamten Verkehrsfluss. Im schlimmsten Fall könnte es zu langen Rückstaus kommen und das wiederrum bringe neue Gefahrenpunkte mit sich. „Bei der Signalschaltung muss man auch immer das umliegende Verkehrsnetz berücksichtigen“, erklärt Elfers.
Und siehe da: Es dauert nicht lange, da staut sich eine lange Autoschlange an der Kreuzung. Die Rechtsabbieger versperren den Geradeausfahrern bald die Fahrbahn. „Erfahrungsgemäß würden die Ungeduldigen unter ihnen jetzt anfangen, über die Sperrfläche zu fahren, um die Schlange zu umgehen“, weiß der Experte. Das bringe neue Gefahren wie Konflikte mit dem Gegenverkehr oder Auffahrunfälle mit sich.
Unser System meldet nach einer Simulations-Stunde einen Fehler. Der Rückstau ist schon fast zwei Kilometer lang.
Testphase 2: Wir behalten die geänderte Signalschaltung von Test 1. Aber was passiert, wenn nun die Grünphasen der Rechtsabbieger an unserer Beispielkreuzung verlängert würden? Die Phasenschaltung der anderen Spuren würde sich verschieben und nicht mehr passend zu den Ampelanlagen im weiteren Verkehrsfluss schalten. Das bedeutet: Die Pkw- und Lkw-Fahrer könnten nicht mehr auf einer grünen Welle fahren. „Wir müssen in unserem Zeitschema bleiben. Das heißt, wenn wir die Grünphase der Rechtsabbieger verlängern, verkürzen sich die Grünphasen anderer Verkehrsteilnehmer“, erklärt Elfers. Wieder staut sich der virtuelle Verkehr, doch diesmal stecken am Ende der simulierten Stoßzeit keine Fahrzeuge mehr im Rückstau. Dieses Szenario würde demnach funktionieren. „Es gibt so viele Möglichkeiten, die Signalanlagen zu programmieren. Auch bei den Fußgängerampeln können je nach Verkehrslage die Schaltungen angepasst werden“, erläutert Riepe. Die grüne Welle sei dabei natürlich ein angestrebtes Ideal, könne bei zu viel Verkehrsaufkommen aber kaum noch realisiert werden.
Die Simulation lässt sich noch weiter ausbauen. So könnten die Experten auf dem Bildschirm eine Verkehrslandschaft mit bis zu neun Knotenpunkten abbilden. Riepe: „Das Programm ist sehr genau und viel anschaulicher als reine Zahlendarstellungen. Auf diese Weise können wir unsere Planung nach realen Bedingungen visualisieren und optimieren.“