Westfalen (lwl). Bundesweit öffnen am 8. September wieder Bauten und Stätten ihre Türen, die normalerweise nicht zugänglich sind. Auch die Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) laden an diesem Tag zu besonderen Führungen, Ausstellungen und Aktionen im gesamten Landesteil ein. Alle Angebote sind kostenlos.
Welche Schätze liegen hinter dickem Beton im Zentralen Fundarchiv in Münster? Woher stammen die tiefen Schluchten im Eggegebirge bei Willebadessen? Wie lange bauten die Legionäre an der Lagermauer in Haltern am See? Diese und andere Fragen beantworten Archäologen und Restauratorinnen an zahlreichen Orten in Westfalen. “Modern(e): Umbrüche in Kunst und Architektur” lautet das diesjährige Thema zum “Tag des offenen Denkmals”, zu dem auch die westfälische Geschichte einiges zu bieten hat, denn: Umbrüche und revolutionäre Entwicklungen gab es hier immer wieder, von der Jungsteinzeit bis in die Gegenwart. Koordiniert wird die Veranstaltung von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.
Ihren Hauptsitz hat die LWL-Archäologie in der Münsteraner Speicherstadt, in der im Zweiten Weltkrieg das Brot für die in Norddeutschland stationierten Wehrmachtsoldaten gebacken wurde. Im Speicher 12 finden um 13, 14, 15 und 16 Uhr Führungen durch das Zentrale Fundarchiv statt. Verteilt auf über 8 Kilometer laufende Regalmeter lagern hier Fundstücke aus allen Epochen der Menschheit: vom Faustkeil über Bronzebeile bis zu mittelalterlichen Schwertern. Im gleichen Gebäude liegt auch die Restaurierungswerkstatt, in der dafür gesorgt wird, dass Funde aus Holz, Glas oder Eisen erhalten bleiben. Die einzelnen Fachbereiche können die Besucher um 13.30, 14.30 und 15.30 Uhr kennenlernen. Damit die Wissenschaftler Funde eindeutig identifizieren können, werden diese mit einer speziellen Maschine beschriftet. Deren Funktion können sich die Gäste im Erdgeschoss ansehen. Zudem können ganztägig Erwachsene und Kinder in die Rolle des Archäologen schlüpfen und an Mitmachstationen selbst aktiv werden. Von 12 bis 17 Uhr können sie Funde aus Glas erfassen, Holzproben datieren sowie Pflanzenreste und Tierknochen untersuchen.
Darüber hinaus stellen die Bibliothekarinnen die Spezialbibliothek der LWL-Archäologie vor. Wo früher Getreide gelagert wurde, stehen heute auf etwa 1.200 Regalmetern rund 50.000 Bücher und Zeitschriften. Nicht nur Fachleute können hier stöbern, als Präsenzbibliothek sind die Räume im Speicher 7 allen Interessierten zugänglich. Führungen gibt es um 13.15, 14.45 und 16.15 Uhr.
Auch rund um den Speicher 12 erwartet die Besucherinnen und Besucher ein breites Programm: Die Gruppen Experimentum e.V. und der Arbeitskreis Sachsenhof des Heimatvereins Greven führen alte Handwerkstechniken vor, wie den Bronzeguss, die Seilherstellung und die Buchmalerei. Auch mittelalterliches Kriegsgerät in Form eines Katapultes kommt zum Einsatz. Wer es friedlicher mag, kann zum Klang mittelalterlicher Instrumente tanzen. Außerdem bietet ein Gewinnspiel die Chance auf insgesamt drei LWL-Museumscards, die ein Jahr lang kostenfreien Eintritt in alle 18 Museen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) und in die 14 Museen des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) bieten.
Zurück in die Zeit der Römer führt die LWL-Archäologin Dr. Bettina Tremmel in Bielefeld-Sennestadt. Das erst kürzlich entdeckte Marschlager ist 26 Hektar groß und konnte drei Legionen inklusive Hilfstruppen beherbergen. Noch heute ist die Wallanlage im Gelände sichtbar. Der noch erhaltene Wall hat eine Länge von 1.400 Metern und ist damit in Westfalen einzigartig. Das Lager stammt aus der Regierungszeit von Kaiser Augustus (31 v. Chr. bis 14 n. Chr.). In den Führungen zeigt die Archäologin die aktuelle Grabung sowie Teile der Wallanlage und beleuchtet die historischen Hintergründe des Römerlagers. Treffpunkt ist der Eingang von Haus Neuland (Senner Hellweg 493, 33689 Bielefeld). Die Führungen beginnen um 11 Uhr, 13.30 Uhr und 15 Uhr.
In Olsberg (Hochsauerlandkreis) lädt die Stiftung Bruchhauser Steine zusammen mit der LWL-Archäologie für Westfalen zu einem Rundgang durch das erste Nationale Naturmonument Nordrhein-Westfalens ein. Das Boden- und Kulturdenkmal ist bekannt für die vier riesigen Vulkanfelsen, die weithin sichtbar hervorragen. Die 90 Meter hohe Felsgruppe war schon in der Eisenzeit im 6. Jahrhundert vor Christus besiedelt. Archäologen haben bei ihren Grabungen interessante Funde gemacht und planen, im archäologischen Reservat ein Wallstück zu rekonstruieren. Um 12.30 Uhr und 15 Uhr führt Archäologe Dr. Manuel Zeiler durch das Gelände. Treffpunkt ist das Informationscenter (Anfahrt über Schloßhof, Straßenverlauf folgen hoch zu Bruchhauser Steine, 59939 Olsberg Bruchhausen).
In die Neuzeit geht es am “Tag des offenen Denkmals” in Willebadessen (Kreis Höxter) mit zwei Führungen über das Gelände der “Alten Eisenbahn”, einer nie vollendeten Tunnelbaustelle aus dem 19. Jahrhundert. Das Kooperationsprojekt mit der Universität Kiel erforscht die im Wald verborgenen Spuren und die Reste der Werksgebäude. Dazu zählen neben den tief in den Fels gesprengten Tunnelzufahrten ein mächtiger Damm, Schutthalden und alte Schächte. Die aktuellen Ergebnisse der Untersuchungen stellt der Kieler Archäologe Fritz Jürgens am Sonntag um 11 und 15 Uhr vor. Treffpunkt ist der Wanderparkplatz “Alte Eisenbahn” an der L763 (Fölsener Straße)/Ecke Eggeweg.
Nur wenige Kilometer entfernt graben aktuell LWL-Archäologen zusammen mit Studierenden der Universität Münster in Willebadessen-Eissen. Geophysikalische Messungen hatten 2016 zur Entdeckung einer 7.000 Jahre alten Siedlung aus der Jungsteinzeit geführt, die von einem doppelten Graben umgeben war. Die LWL-Archäologie bietet folgende Rundgänge über die Grabung an: Um 11 Uhr (Dr. Hans-Otto Pollmann) und um 15 Uhr (Dr. Sven Spiong).
In Hagen steht das Thema Gartenarchäologie im Mittelpunkt. Die Archäologin Dr. Eva Cichy stellt gemeinsam mit einer örtlichen Gartenarchitektin die Ergebnisse der Ausgrabungen und denkmalpflegerischen Untersuchungen im Garten des Hohenhofes vor. Das Ziel der Forschungen ist es, den Garten der Künstlervilla in seiner ursprünglichen Form des frühen 20. Jahrhunderts wiederherzustellen. Mit den Bezügen der Villa zum Bauhaus fügt sich die Veranstaltung in das Rahmenmotto des diesjährigen Tages des offenen Denkmals “Modern(e): Umbrüche in Kunst und Architektur”. Treffpunkt zur Führung ist um 13.30 Uhr am Rondell vor dem Haus Hohenhof. Im Hohenhof selbst gestaltet die Stadt Hagen verschiedene Aktionen.
Die Führungen auf den Grabungen und Außenaktionen sind lediglich bedingt barrierefrei. Feste Schuhe und geeignete Kleidung werden empfohlen.
Im LWL-Museum für Archäologie in Herne gibt die Führung “gesucht. gefunden. ausgegraben.” um 15 Uhr Einblicke in die Dauerausstellung. Ausstellungstücke von Ausgrabungsfunden aus ganz Westfalen geben einen Eindruck der Menschheitsgeschichte der Region, vom ersten Auftreten in der Steinzeit bis heute. Um 15 Uhr öffnet der “Fundort GrabungsCAMP” seine Mitmachausgrabung auf dem Außengelände des Museums. Hier können sich alle Interessierten unter fachkundiger Anleitung bei idealen Bedingungen selbst an einer Ausgrabung versuchen. Mit Kelle, Pinsel und Vermessungsinstrumenten lässt sich die spannende Arbeit der Archäologen ausprobieren.
Das LWL-Römermuseum in Haltern am See lädt von 10 bis 18 Uhr mit verschiedenen Aktionen zum Erleben, Entdecken und Mitmachen ein. Unter dem Motto “Auch Rom wurde nicht an einem Tag gebaut ” stehen Ansprechpartnerinnen am Nachbau des Römerlagers für Erläuterungen bereit. Die Mauer des Römerlagers errichteten die römischen Legionäre in nur einem Sommer. Der Nachbau hinter dem LWL-Römermuseum brauchte hingegen ein wenig länger. “Probieren geht über Studieren” heißt es, wenn die “Groma”, ein römisches Vermessungsinstrument, vorgeführt wird. Städte und Legionslager wurden bei den Römern mit rechtwinklig verlaufenden Straßen angelegt. Wie dies mit der Groma funktionierte, lässt sich hier selbst ausprobieren.
Das LWL-Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn beantwortet am Tag des offenen Denkmals eine Frage, die sich bestimmt alle Schüler einmal gestellt haben: “Abschreiben erlaubt!”, denn so heißt das Kreativseminar, in dem Familien mit Kindern ab 8 Jahren am Sonntag die Schriftreform Karls des Großen erkunden. Heutzutage gibt es böse Blicke, im Mittelalter war das Abschreiben jedoch Gang und Gäbe. In den klösterlichen Schreibstuben schrieben Mönche und Nonnen Texte aus der Bibel ab; in Klosterschulen gaben sie ihr Wissen weiter. Das Kreativseminar findet jeweils zwischen 11 und 13 Uhr und zwischen 15 und 17 Uhr statt. Die Teilnehmer fertigen ein eigenes mittelalterliches Schreibset aus zugeschnittener Gänsefeder und selbstgerührter Tinte an und üben sich im Schreiben karolingischer Buchstaben und Initialen. Der Eintritt ist wie in den anderen Museen frei, nur die Materialkosten für die Schreibstube betragen drei Euro.