Der Deutschen liebstes Hobby? Den neuesten Schätzungen nach könnte man auf Nachbarschaftsstreit tippen: rund 400.000 Fälle zerstrittener Nachbarn landen jährlich vor Gericht, weil die Kontrahenten keine vernünftige Auseinandersetzung zustande bringen. Dabei liegt der Streitwert meist in einem lächerlichen Rahmen und die Themen sind allesamt nicht neu: gestritten wird um provokativen Kinderlärm, unerträglichen Grillgeruch, die viel zu fröhliche Gartenparty, unverschämt lange Äste der nachbarlichen Ziersträucher und über Katzen, die keine Grenzen kennen.
Die neue ‚Streitkultur’ könnte damit erklärt werden, dass Neubaugebiete heute sehr viel dichter bebaut sind als früher. Oder mit einer wachsenden Rechthaberei und einer nachlassenden Kompromissbereitschaft der Beteiligten. Doch für den Großteil der umstrittenen Themen gibt es klare Gesetze und Urteile, über die man sich am besten informieren sollte, bevor man dem Nachbarn den Kampf ansagt.
Lärm
Grundsätzlich ist die Einhaltung der Nachtruhe Pflicht: sie dauert von 22 bis 6 Uhr. In dieser Zeit dürfen keine lauten Gartenpartys gefeiert werden, deren Geräuschpegel andere belästigen könnte. Auch Musik darf während der Ruhezeit nur auf Zimmerlautstärke aufgedreht werden. Hausmusik in diesem Zeitraum ist tabu- außerhalb der Nachtruhe sind ein bis zwei Stunden täglich allgemein in Ordnung, sofern es sich nicht um ein sehr lautes Instrument handelt.
Gilt in der betreffenden Stadt oder Gemeinde eine Mittagsruhe (meist zwischen zwölf und fünfzehn Uhr), so gilt für diesen Zeitraum dasselbe wie für die Nachtruhe.
Kinderlärm, sei es Geschrei im Hof oder Garten oder Trampeln aus der oberen Wohnung, muss allgemein hingenommen werden, sofern in den Ruhezeiten Ruhe herrscht.
Rasenmäher, Häcksler und Motorsägen dürfen an Sonn- und Feiertagen nicht benutzt werden, an normalen Werktagen jedoch bis zwanzig Uhr, sofern die Geräte über das EU-Umweltzeichen verfügen. Frühaufsteher dürfen leise Elektromäher bereits ab sieben Uhr morgens benutzen! Fühlt man sich während der Ruhezeiten gestört, so ist nach einem fruchtlosen Hinweis an die Betroffenen der Vermieter der nächste geeignete Ansprechpartner, da er für den Hausfrieden zuständig ist.
Garten und Tiere
Pflanzen müssen in bestimmtem Abstand zur Nachbarsgrenze gesetzt werden- dies ist von den Ländern einzeln geregelt- im Durchschnitt kann man von einem halben Meter Abstand ausgehen und die Pflanzen sollten nicht über zwei Meter hoch sein.
Überhängende Zweige müssen geduldet werden, sofern man dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Gewöhnlicher Laubfall, Nadeln und eine gewisse Beschattung müssen hingenommen werden. Übersteigt die Beeinträchtigung der eigenen Fläche aber einen gewissen Rahmen, so muss der Nachbar die Zweige stutzen. Einzelheiten dazu regelt die örtliche Baumsatzung.
Von überhängenden Ästen des Nachbarbaums dürfen zwar keine Früchte abgeerntet werden, Fallobst jedoch darf man aufessen
Auch einen Gartenteich kann man anlegen, ohne befürchten zu müssen, dass er einem später untersagt werden könnte- sogar Froschquaken muss von Nachbarn akzeptiert werden.
Dürfen Nachbars Katzen in meinem Garten ihr Geschäft verrichten? In einem Urteil dazu wurde die Hinterlassenschaft einer Katze als hinzunehmen beurteilt, die Spuren von drei Nachbarskatzen jedoch als unzumutbar.
Unzumutbar ist auch der permanente Anblick eines Gartenzwerges mit entblößtem Hinterteil, sofern er mit der Absicht der Provokation des Nachbarn sein Dasein fristet. Ihm oder seinem Halter diese Absicht nachzuweisen, wird allerdings nicht ganz einfach sein.
Grillen und Feste
Gartenparties sind außerhalb der Ruhezeiten in Ordnung. Die übliche Häufigkeit liegt bei drei bis vier Festen pro Jahr. Dabei darf auch gegrillt werden. Grillen auf dem Balkon ist wiederum in vielen Fällen schon von den Vermietern untersagt- die Belästigung für den Wohnungsnachbarn sei nicht hinnehmbar. Die Urteile hierzu sind jedoch äußerst zahlreich und die Auslegung des Begriffes ‚Beeinträchtigung’ ist nicht klar definiert- von daher am besten den gesunden Menschenverstand einsetzen: je näher der andere ist, desto eher beeinträchtigen ihn meine Grillschwaden. Warum nicht den anderen direkt fragen, ob er sich gestört fühlt? Oder ihn kurzerhand auf einen kleinen Snack einladen?
Prozess vermeiden, das Gespräch suchen, sich einigen, Schlichtung
Prinzipiell liegt die sinnvollste Maßnahme bei Störungen jeglicher Art darin, das Gespräch mit dem Nachbarn zu suchen. Dabei nicht warten, bis man innerlich schon vor Wut kocht, sondern rechtzeitig auf den anderen zugehen. Im Gespräch sachlich bleiben und das Problem zum Thema machen, nicht die Person. Also keine persönlichen Angriffe, Unterstellungen und Beleidigungen, sondern bei der Sache bleiben und signalisieren, dass man bereit ist, gemeinsam eine Lösung oder einen Kompromiss zu finden. Sich in den anderen hineinversetzen: welche Bedürfnisse hat er? Wie könnte man alle Aspekte- sein und mein Anliegen- unter einen Hut bringen? Dem anderen zuzuhören und freundlich zu bleiben kann wahre Wunder bewirken. Sobald sich der andere Ernst genommen und nicht angegriffen fühlt, wächst auch seine Kompromissbereitschaft. Denken Sie daran, dass Sie mit dem Nachbarn vermutlich noch eine Weile zu tun haben werden und dass er seine Bedürfnisse als ebenso wichtig einschätzt wie Sie die Ihren. Auf der Basis vorhandener Richtlinien sollte sich so eine Einigung finden lassen.
Ansonsten besteht noch immer die Möglichkeit, ein Schiedsamt in Anspruch zu nehmen. Eine Einigung, die durch ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren herbeigeführt wurde, ist wie ein Gerichtsurteil dreißig Jahre gültig. Über die Hälfte der Streitigkeiten können so noch geschlichtet werden, ohne dass es zum Prozess kommt.